Also, jedenfalls am Bahnhof von King George IV (der von King George V liegt am DLR, wie der eine oder andere Investmentbänker bei der Nutzung von City bemerkt haben könnte) gibt es tatsächlich einen Kofferkuli, der halb in der Wand steckt. Touristisch wertvoll hat man das mit PLATFORM 9 3/4 überschrieben, dabei wurde der Film auf dem Bahnsteig von Gleis 4 und 5 gedreht. Andererseits zeigt der jetzige Standort die Ironie von 9 3/4. Schließlich muß man zum Gleis 9, 10 und 11 erstmal zu 3/4 über den Bahnsteig von Gleis 8 laufen und wenn man denkt, man habe es geschafft, wartet dann noch einmal ein Ticket Gate, bevor man es dann zum "Schnellzug" nach King's Lynn gelangt. Andererseits hat die Person hinter dem lyrischen Ich zugegeben, eigentlich auf Euston referiert haben zu wollen. Ich habe meinen Zug dennoch gekriegt.
Cambridge an sich ist eine Stadt, die zum größten Teil aus der Universität und ihren Colleges besteht. Beides alt, beides bräuchte wohl Erneuerung. Außerdem gibt es verschiedene Parks, Brücken und Geschäfte, die aus alledem touristisch wertvolles gemacht haben. Das Hotel war natürlich britisch - alles da, besonders wenn es mit Touchcards, Swipecards oder sonstirgendwie technisch ist, und irgendwie sauber, aber eben nicht wirklich. So findet man dann eben schonmal einen Keks im Zimmer - also nicht den neuen in der Packung auf dem Nachttisch, sondern den angegessenen in der Ecke auf dem Teppich. Aber in einem Land, in dem es statt einer Zudecke ein Bettlaken mit Übergardine gibt, wundert man sich über nichts. Außer über den Mangel an Tee. Im Hotel ging es nämlich sehr britisch zu. Gott sei Dank, gibt es die Kuschelrockkollektion schon seit 1987, so daß man jeden Morgen das Volume 1 spielen konnte, um das Frühstück angemessen zu begleiten. Wirkt aber auch erst richtig, wenn die Frau am Nachbartisch nach Earl Grey fragt, während ihr Mann insistiert, er wolle doch lieber richtigen Tee. Das hätte eine Ehekrise auslösen können, aber in britischen Hotels bekommt man selbstverständlich mehrere Teekannen.
Bei der Tagung war es dann wie bei einer Tagung. Nur eben in Cambridge. Aber der Konferenzorganisation ging der Tee aus, und Kekse gab es auch zu wenig. Später, in Egham, wird sich Konferenzorganisation (Marie) hämisch darüber freuen. Schließlich ist sowas in Royal Holloway noch nie passiert! Nicht genug Tee, wird man sagen, so was kommt bei einer guten Konferenz nicht vor. Und in einem Hotel, wie ich allmorgendlich während meines Aufenthaltes sah, sowieso nicht. Dabei ist die Uni so reich, da könnten sie sich viel Tee leisten. Was die wohl mit den Teilnehmerbeiträgen gemacht haben?
Dafür hat Cambridge mit den britischen Desserts entschädigt. Die gibt es zwar überall in England, aber wann geht man schon in ein Lokal um eins zu essen?
Die Iren haben es übrigens ganz richtig gemacht und den EU-Vertrag abzulehnt. Von der EU kommen nur noch merkwürdige Sachen. Beispielsweise wollen sie die WestLB absaufen lassen (obwohl hier deutsches Recht trägt und sich Neelie Kroes raushalten sollte), das VW-Gesetz kippen (und das von einem Iren, da läuft doch was falsch?), aber auch das deutsche Rettungswesen umkrempeln. Statt dem Arbeiter-Samariter-Bund sollen nun tschechische Subunternehmer Rettungsdienste nach einem Franchisemodell anbieten. Wie schön. Dann haben wir ein Rettungssystem, das dann privat ist, aber trotzdem immer teurer bei schlechterer Qualität wird (siehe Bahn). Und der Grund: Zwangskunden. Für den Kapitalisten gibt es nichts besseres als Zwangskunden. Die kommen auch noch, wenn man den Preis verdoppelt und die Leistung halbiert - damit kann bei einer Innovationsquote von 0,4 % des Jahresumsatzes (die braucht man, um neue Sparmodelle durchzurechnen), seinen Gewinn vervierfachen, was sonst nur der Pharmasektor kann. Wie gesagt Zwangskunden. Vielleicht könnte man rettungsrelevante Leistungen getrennt von der Fahrtleistung als solche abrechnen?
Übrigens hat der Tiefensee ein PR-Genie im Stall, das den Bedienzuschlag anders benannt hätte und es ganz nebenbei geschafft hat, aus seiner Rückgratlosigkeit ein Einstehen für den Bürger zu machen. Daß der Chef plötzlich für die Nichteinführung der Bediengebühr war, lag nicht etwa an der Entdeckung seines Rückgrats, sondern daran, daß der Druck von vorn so stark geworden ist, daß es ihn praktisch aufrichtete - und er dann stand wie Mann und mußte nicht wie Kurt Beck hinter den Baum gehen, wo es bekanntlich bequemer ist. Man erinnert sich, der Wolfgang fand das ganze vor nicht allzu langer Zeit "streng wirtschaftlich".
Und schließlich die coole Stadt.
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